Familientradition endet nach 128 Jahren

Eine Ära geht zu Ende: Die Bäckerei Schaible, seit 1896 eine Institution auf der Höhengemeinde Dobel, wird zum Monatsende geschlossen. Nach 128 Jahren endet damit die Geschichte eines der ältesten Familienbetriebe der Region. Hubert Schaible, der die Bäckerei in vierter Generation seit 36 Jahren führt, hat schweren Herzens beschlossen, die Traditionsbäckerei aufzugeben.

 

Die Bäckerei, die sich im Ortskern von Dobel befindet, war für viele Dorfbewohner und Besucher ein fester Bestandteil des täglichen Lebens. Die Entscheidung zur Schließung fällt dem Unternehmer sichtlich schwer, denn die Verbundenheit zur Gemeinde und zu seinen Kunden war immer groß. „Es ist traurig, dass wir nach so langer Zeit die Türen schließen müssen“, sagt Schaible. Die Schließung sei auf den steigenden wirtschaftlichen Druck durch erhöhte Energiepreise sowie krankheitsbedingte Herausforderungen zurückzuführen, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Damit verliert die Gemeinde Dobel nicht nur eine Bäckerei, sondern auch ein Stück ihrer Identität. „Es war immer mehr als nur ein Geschäft“, betont Schaible, „es war ein Ort der Begegnung, ein Teil der Gemeinschaft.“

Der Abschied von der Bäckerei Schaible wird bei vielen mit Wehmut verbunden sein, doch die Erinnerungen an den Duft von frischen Brötchen und den herzlichen Austausch im Laden bleiben lebendig.

 

Eine stolze Geschichte: Drei Generationen im Bild

Ein besonderes Erinnerungsstück aus der langen Geschichte der Bäckerei ist ein Foto aus dem Jahr 1986. Es zeigt drei Generationen Schaible: Hubert, seinen Vater Willi und Großvater Wilhelm, der den Familienbetrieb in zweiter Generation geführt hat. „Das Bild wurde zu meiner Meisterprüfung gemacht“, erinnert sich Hubert Schaible. Seine Großeltern stammen aus Rotensol und Dobel, und die Familie Schaible selbst ist Anfang des vorletzten Jahrhunderts aus Simmersfeld zugewandert.

Zum Zeitpunkt der Betriebsübernahme am 1. Juli 1988 war Hubert Schaible einer der letzten beiden Bäcker auf dem Dobel, von denen es einst sieben gab. Der aufstrebende Bäckermeister entschloss sich damals, das alte Geschäftsgebäude umzubauen und ein neues Wohn- und Geschäftshaus zu errichten. „Ich habe das halbe Haus abgerissen – die Scheune, den Stall und die Garage – und ein großes Gebäude daraufgesetzt“, erzählt Schaible. Diese mutige Investition ermöglichte ihm einen Neustart im Kurort, der einst mit vielen Übernachtungsgästen florierte und Bedarf an frischen Backwaren hatte. Grund also ein großes Sortiment an Back- und Süßwaren anzubieten.

 

Leidenschaft für Brot und Süßes

In den „guten Zeiten“ stellte Hubert Schaible zu Ostern sogar seine eigenen Schokoladenhasen her – bis zu 40 Kilogramm Kuvertüre wurden dafür benötigt. Schaibles Leidenschaft für das Backen startete 1976, als er seine Lehre bei seinem Vater in der Bäckerei begann. Danach setzte er in Bempflingen eine Lehre als Konditor drauf. „Das waren harte Zeiten, denn von Montag bis Mittwoch absolvierte ich eine 40-Stunden Woche, um donnerstags die Meisterschule zu besuchen und von Freitag bis Sonntag im elterlichen Betrieb zu stehen. Nach der Bäckermeisterprüfung in Stuttgart ging es zurück in das Familienunternehmen auf den Dobel.

„Brot ist meine Leidenschaft“, sagt Schaible. Sein beliebtes 24-Stunden-Krustenbrot und die handgeschlungenen Brezeln waren stets Aushängeschilder der Bäckerei. Besonders begehrt ist zudem das Kastenweißbrot, das zum Toasten viele Liebhaber auf den Dobel zog, sowie das 300-Gramm-Krustenbrot, das traditionell für den Neujahrsempfang der Gemeinde gebacken wird, um es als liebgewordene Tradition zusammen mit Salz an Neubürger zu überreichen.

 

Ein-Mann-Betrieb 

Nach seiner Scheidung 2004 entschied sich Hubert, den Betrieb als Ein-Mann-Unternehmen weiterzuführen und das Sortiment auf Brot und Brötchen zu fokussieren. „Ich habe auf Filialbetriebe verzichtet und mich vollkommen auf den Standort im Ortskern konzentriert“, sagt Schaible.

Doch vor drei Jahren erlitt der Bäckermeister einen gesundheitlichen Rückschlag. „Ich bin zusammengebrochen und habe mir dabei den dritten Lendenwirbel gebrochen“, so das Credo des Unternehmers. Trotz des Unfalls stand er weiterhin täglich in der Backstube, doch die körperliche Belastung forderte ihren Tribut. Neben Regina Hahn, die in diesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum als Verkäuferin im Betrieb feierte, unterstützt Bäcker Bernd-Michael Zinser den Meister seit 33 Jahren in der Backstube, fehlt aber durch einen längeren Krankenhausaufenthalt seit geraumer Zeit in der Produktion. Mit Brigitte Morof im Verkauf, der langjährigen Lebensgefährtin Schaibles ist das Unternehmen auf zwei Personen reduziert.

 

 Abschied beim Weißwurstfrühstück am 28.09.2024 

Brigitte Morof, gelernte Restaurantfachfrau, begleitet Hubert Schaible seit vielen Jahren als gute Seele der Bäckerei. Sie brachte Elan und Kreativität in das Geschäft, gestaltete Schaufenster und führte während der Corona-Zeit einen Abholservice ein. Doch nun haben beide beschlossen, gemeinsam einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.

„Wir wollen als Rentner unsere Enkel genießen und Reisen unternehmen“, sagt Morof. Zum Abschluss der langen Bäckereigeschichte hat sie sich etwas Besonderes ausgedacht: „Wir laden am 28.09. 2024 von 10 bis 12 Uhr alle Freunde und Wegbegleiter ein, gemeinsam mit Hubert bei einem Weißwurstfrühstück auf seinen Neubeginn anzustoßen.“ Der letzte Tag der Bäckerei soll kein trauriger Abschied sein, sondern den Auftakt in einen neuen Lebensabschnitt bilden.

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge blickt Hubert Schaible auf die bevorstehenden letzten Tage. „Es ist kein Nicht-Wollen, sondern ein Nicht-Mehr-Können“, so sein Credo.
 

Text Sabine Zoller

Alle Fotos: Sabine Zoller
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